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Rollenklarheit – Das Leben selbst gestalten

von Annegret Corsing

Dein Leben ist so bunt wie du es dir ausmalst. 

Glaubst du nicht? Dann befindest du dich vielleicht auch öfter in der Opferrolle, in der du denkst, das Leben wäre eine Aneinanderreihung von Dingen, die dir passieren und auf die du keinen Einfluss hast.

In diesem Artikel geht es um die selbstgewählte (vielleicht sogar über Jahre erlernte) Opferrolle und wie wir Verantwortung übernehmen und unser Leben bewusst selbst gestalten können.

Inhalt:
Was bedeutet Opferrolle?
Wie merke ich, dass ich in der Opferrolle bin?
Wie verhält sich jemand in der Opferrolle?
Was bringt mir die Opferrolle?
Was brauche ich, um die Opferrolle zu verlassen?

Was bedeutet Opferrolle?

In der Opferrolle sehen wir uns als Opfer der Umstände, dem Verhalten anderer, dem Leben, dem System, der Gesellschaft – alles und alle scheinen gegen uns zu sein. Wir rollen uns wie ein Käfer auf den Rücken und nehmen vielleicht eine Haltung von „ich kann ja nicht…“ ein.

Wichtig: Wenn wir hier von einer Opferrolle sprechen, dann ist damit ausschließlich die selbst gewählte Opferrolle gemeint. Sie ist klar abzugrenzen von dem Betroffen-Sein, das jemanden betrifft, der oder die zum Beispiel Opfer von Gewalt oder Naturereignissen wurde. 

Aus diesem Grund bezeichnen wir bei den erfahrungsexpert*innen das Thema auch gern als Rollenklarheit, denn das sagt mehr über die eigene Verantwortung in der Situation aus:
 Es liegt bei uns, uns aus der Opferrolle zu befreien und das Leben in Eigenverantwortung zu gestalten.

Das Thema Rollenklarheit (Opferrolle verlassen) ist einer der 7 Resilienzfaktoren, die wir unseren Kursen  Präventions-Kurs RASMUS und Recovery-Kurs RAMSES behandeln.

Wie merke ich, dass ich in der Opferrolle bin?

Manchmal haben wir alle Gedanken oder sagen Dinge, die etwa so beginnen:

  • Alle…
  • Immer…
  • Nie…
  • Niemand…

Pauschalisierungen in der Sprache sind ein recht sicheres Zeichen dafür, dass wir gerade im Selbstmitleid baden. Die ganze Welt ist gegen mich! Wie schlimm! Nur weil jemand dies oder das gesagt hat, geht es mir jetzt schlecht! Ich Arme!

Noch heute begegnen mir diese Gedanken hin und wieder – und ich denke das ist ganz normal. Wichtig ist, sich dessen bewusst zu werden und nach einer Phase des „Suhlens“ wieder in die Stärke und Eigenverantwortung zu kommen. Ich denke, wie schnell wir diesen Schritt schaffen, hängt mit unserer Resilienz zusammen.

Wie verhält sich jemand in der Opferrolle?

Wir sind nicht immer die gleiche Person. Wir verändern uns, je nach Rolle, die wir gerade einnehmen.

Vielleicht magst Du Dir einen Moment Zeit nehmen, um darüber nachdenken : In welche Rollen schlüpfst du in deinem Alltag? Du bist jetzt gerade Leser oder Leserin meines Artikels. Wenn du das zuhause in deiner Wohnung machst, dann bist du vielleicht Mieter*in. Und wenn dir deine Katze um die Beine streicht, dann bist du Tierhalter*in. Du siehst, wir füllen automatisch jeden Tag ganz verschiedene Rollen aus, ohne dass wir das vielleicht bewusst wahrnehmen. 

In den unterschiedlichen Kontexten haben und nutzen wir auch verschiedene Ressourcen und Kompetenzen, sind unterschiedlich resilient. Und manchmal suchen wir uns auch eine Rolle aus. Zu den beliebten am „Verkaufstresen“ gehört dabei eben die selbstgewählte Opferrolle. Wir versinken in Selbstmitleid und alle anderen sind Schuld an der eigenen Misere.

Es sind nach Epiktet ja nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern unsere Vorstellung davon.

Ein Mensch ist immer das Opfer seiner Wahrheiten.

Albert Camus

Dabei sind es nach Epiktet ja nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern unsere Vorstellung davon – das heißt meistens unsere eigenen Gedanken zu der Situation. Und unser Selbstmitleid – die Opferrolle – zeigt sich dann mit verschiedenen Gesichtern:

  • Ich gebe Schuld und Verantwortung an andere ab und greife an.
  • Ich bin bequem und suche lieber Gründe und Ausreden statt Lösungen.
  • Ich bin selbstgerecht, indem ich immer wieder feststelle, dass ich alles besser oder anders mache als die Anderen.

Was bringt mir die Opferrolle?

Zunächst einmal ist es doch sehr schön einfach, oder etwa nicht? Würden wir nicht anderen die Schuld und Verantwortung abgeben, müssten wir uns ja mit den eigenen Gefühlen auseinandersetzen und die Verantwortung für sie übernehmen. Da wir Menschen aber manchmal recht bequem sind, ist es viel zu anstrengend, nach Lösungen zu suchen!

Wenn ich das Opfer der Umstände bin, kann ich ja nichts dafür und andere müssen sich um mich kümmern. Ich bekomme vielleicht mehr Zuwendung. Und obendrein mache ich das alles vielleicht schon so lange, dass es für mich einfach zur Gewohnheit geworden ist.

  • „Der Bus kam nicht pünktlich, deshalb bin ich schon wieder zu spät. Ich kann dafür nichts.“
  • „Meine Kollegin hat mich heute morgen nicht gegrüßt. Es ist ihre Schuld, dass ich jetzt den ganzen Tag üble Laune habe.“
  • „Mein Freund macht mich so wütend, weil er immer seine Socken auf dem Boden rumliegen lässt.“

Die Opferrolle einzunehmen kann uns scheinbar dabei helfen, ein Problem zu bewältigen, indem wir die Verantwortung abgeben. Das ist aber ein Trugschluss:

Es löst schwierige Gefühle in uns aus und ändert an der Situation rein gar nichts! In den meisten Fällen bekommt die andere Person auch garnicht mit, was in uns vorgeht. Es passiert nur in uns. Wenn dieser Prozess nicht unterbrochen wird, bleiben wir in den eigenen Gefühlen stecken.

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Was brauche ich, um die Opferrolle zu verlassen?

Die Opferrolle zu verlassen braucht Mut. 

Mut, sich mit den eigenen Prozessen auseinanderzusetzen. Oder erst mal überhaupt die Bereitschaft dazu aufzubringen und anzufangen, ganz bewusst meine Muster zu hinterfragen und mein Verhalten zu reflektieren:

  • Wann falle ich unbewusst in diese Opferrolle und warum?
  • Bin ich bequem und es gewohnt, mich als Opfer zu sehen?
  • Habe ich Angst mich meiner Verantwortung zu stellen?
  • Was denke ich davon zu haben, wenn ich in dieser Rolle unterwegs bin?

Unser Präventionskurs RASMUS und der Recovery-Kurs RAMSES beinhalten neben anderen Resilienzfaktoren auch das Thema Rollenklarheit. Hier bearbeiten wir genau diese wichtigen Fragen.

Bei mir persönlich war es ganz viel Angst vor der Verantwortung für mich selbst und meine Gefühle. Ich hatte als Kind keine verantwortungsvollen Eltern. Mir hat niemand beigebracht, wie ich mit schwierigen Gefühlen oder Situationen umgehen kann. Ich wusste einfach nicht wie das geht und habe es deshalb auch lange Zeit gar nicht probiert. Auf der anderen Seite fehlte in dieser Situation dem Kind in mir eben auch über viele Jahre jemand, der die Verantwortung übernimmt, der mich stützt, mir hilft, mich anleitet darin, wie das so läuft im Leben. Als Erwachsene habe ich lange Zeit diese Verantwortung für mich und meine Gefühle anderen versucht „überzuhelfen“ – das heißt, sie dafür verantwortlich zu machen . Es war (selbst)verständlich aus der Sicht eines vernachlässigten Kindes.

Als Erwachsene können wir nicht (auch wenn es bspw. die Eltern so gemacht haben) die Verantwortung für unser Glück oder Unglück an andere abgeben – damit sind wir weder für uns selbst, noch für andere da.

Dein Leben ist nicht bunt genug? Streu Glitzer drauf!

Indem ich die Verantwortung in meine Hände zurücknehme und für mich da bin, brauche ich niemand anderem mehr die Schuld dafpr geben, wie es mir geht und wie ich mich fühle. Ich reflektiere die Situationen, in denen es mir nicht gut geht und schaue, ob ich auch bei mir einen Anteil finde, der dazu beigetragen hat, dass ich mich jetzt so fühle. Und in den allermeisten Fällen ist das auch so.

Die Farben meiner Welt suche ich nun selbst aus, nehme den Stift in die Hand und male sie bunt. Und wenn es noch nicht bunt genug ist? Dann streu ich noch ein bisschen Glitzer drauf!

Bildquellen:
Titelbild Stifte: Schäferle/pixabay
Pailletten: Alicja/Pixabay
Zitat Epiktet: meinpapasagt.de

2 Gedanken zu „Rollenklarheit – Das Leben selbst gestalten“

  1. Hallo,
    Ich habe diese Probleme auch schon gehabt und würde mich gerne darin schulen, mit diesen Situationen besser umzugehen. Gibt es einen Kurs?

    LG
    Alexander Frick

    Antworten

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