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Der verborgene Albtraum: Leben mit der Prämenstruellen Dysphorischen Störung (PMDS)

Als Prämenstruelle Dysphorische Störung, kurz PMDS, wird eine besonders schwere Form des Prämenstruellen Syndroms bezeichnet. Der Begriff dysphorisch beschreibt in diesem Zusammenhang einen Gefühlszustand, der sich durch eine traurig-bedrückte bzw. gereizte Grundstimmung auszeichnet. Betroffene leiden vor allem unter psychischen Beschwerden wie Stimmungsschwankungen, aggressiven bzw. depressiven Verstimmungen, erhöhter Reizbarkeit und Angstzuständen.

In diesem Blogartikel beleuchtet Erfahrungsexpertin Julia Breuer folgende Fragen:

Was ist PMDS?

Der Großteil der menstruierenden Menschen kennt zyklusbedingte Beschwerden, die kurz vor oder während der Periode auftreten. Symptome wie z.B. Bauchkrämpfe, Verdauungsprobleme, Stimmungsschwankungen, Brustspannen oder Kopfschmerzen werden als PMS (= prämenstruelles Syndrom) zusammengefasst und sind zwar einschränkend aber meistens recht mild, so dass sie grundsätzlich gut behandelbar sind.

Jedoch leiden etwa 5,5% der Menstruierenden unter PMDS, einem eigenständigen Krankheitsbild, welches als schwerste Form von PMS gilt. PMDS steht für Prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) (im Englischen: Premenstrual Dysphoric Disorder = PMDD).

PMDS ist keine psychische, sondern eine gynäkologische Erkrankung, die neurobiologische Ursachen hat: Bei von PMDS-Betroffenen reagiert das Gehirn sensibler auf die hormonellen Schwankungen im Zyklus. Die Folge sind vor allem psychische Symptome. Diese Symptome sind so drastisch, dass sie für die Betroffenen sehr belastend sind und ihren Alltag teilweise extrem einschränken.

Heute noch energiegeladen, voller Tatendrang und Lebensfreude, am nächsten Tag sind Stimmungsschwankungen, Konzentrationsstörungen, körperliche Erschöpfung und selbstabwertende Gedanken vorherrschend. Als ob jemand aus dem Nichts den Schalter umlegt.

Von PMDS betroffene Menschen verspüren oft einen hohen Leidensdruck durch die schweren psychischen Symptome und können sich vor der Periode selbst „nicht ausstehen“. Sie verstehen ihre eigenen Gefühle phasenweise nicht und werden durch die dadurch entstehenden Konflikte und Herausforderungen im privaten und beruflichen Umfeld zusätzlich belastet.

Wie äußert sich PMDS?

PMDS ist eine ernste – und auch ernstzunehmende – Variante des prämenstruellen Syndroms (PMS). Im Gegensatz zu milderen PMS-Symptomen sind die Auswirkungen von PMDS intensiver und können das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen.

Die Symptome umfassen emotionale Veränderungen wie Reizbarkeit, Angst und Depression, aber auch körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Schlafstörungen.

Für eine offizielle PMDS-Diagnose müssen mindestens fünf der nachstehenden Symptome für mehr als zwei Zyklen vorhanden sein:

  • Veränderung in Stimmung und Emotionen (z.B. Stimmungsschwankungen, plötzliche Traurigkeit oder Weinen, starke Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung).
  • Reizbarkeit, Ärger oder Wut und vermehrte Konflikte mit anderen vor den Tagen
  • Depressive Verstimmung, Gefühle von Hoffnungslosigkeit, Wertlosigkeit oder Schuld, suizidale Gedanken vor den Tagen
  • Ängste, Anspannung, Unruhe oder Nervosität
  • Desinteresse an normalen Aktivitäten (Arbeit, Schule, Freunde, Hobbies, Selbstpflege)
  • Konzentrationsschwierigkeiten, Schwierigkeiten sich zu fokussieren oder klar zu denken
  • Müdigkeit oder wenig Energie, Antriebslosigkeit
  • Veränderungen des Appetits, Heißhungerattacken, Überessen/ Binging
  • Gefühle von Überwältigung und Kontrollverlust
  • Schlafstörungen – übermäßiger Schlaf oder Schlaflosigkeit
  • Körperliche Symptome wie empfindliche Brüste oder Brustspannen, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen, Aufgeblähtheit oder Gewichtszunahme

Weiterhin charakteristisch für PMDS ist, dass die Symptome nicht durchgängig vorhanden sind, sondern in der zweiten Zyklushälfte, (ca. 7 bis 14 Tage vor der Periode) gefühlt aus dem Nichts auftreten und innerhalb der ersten Tage der Regelblutung genauso schlagartig wieder verschwinden.

Daher ist es wichtig, die Symptome über mindestens zwei Menstruationszyklen hinweg täglich nachzuverfolgen. Dies ist bisher der einzige Weg zu einer offiziellen PMDS-Diagnose.

Erst vor etwa 7 Jahren ist mir aufgefallen, dass diese extremen Schwankungen mit meinem Zyklus zusammenhängen: In der zweiten Zyklushälfte fühlte ich mich bis zu zwei Wochen so, als ob ich mich in einer depressiven Phase befinde. Ich war weniger leistungs- und manchmal gar nicht arbeitsfähig, was die PMDS-bedingten selbstabwertenden Gedanken nur noch weiter verstärkte. Sobald meine Periode vorbei war, war ich ein neuer Mensch, voller Energie, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein.

PMDS-Symptome können bereits mit der ersten Regelblutung auftreten. Nicht selten verschlimmern sich die Symptome durch hormonelle Veränderungen (z.B. durch Schwangerschaft, Geburt, Fehlgeburt, Absetzen der Pille oder Wechseljahre). Bei mir war es der Beginn der Perimenopause (= der Übergang des Körpers in die Menopause; „peri“ stammt vom griechischen Wort für „um – herum“ ab) und die damit einsetzenden hormonellen Veränderungen, die die Symptome extrem verstärkt haben.

Ist PMDS heilbar bzw. behandelbar?

Es ist wichtig, PMDS von gewöhnlichem PMS zu unterscheiden, da PMDS eine spezifische medizinische Diagnose erfordert und möglicherweise eine differenzierte Behandlung notwendig ist.

Die genauen Ursachen von PMDS sind nicht vollständig bekannt, aber hormonelle Veränderungen im Menstruationszyklus gelten als wesentlicher Faktor. Die Forschung in Deutschland hängt zu diesem Thema leider hinterher.

Im Schnitt dauert es bis zu 12 Jahre bis Betroffene die richtige Diagnose erhalten bzw. erkennen, dass die Symptome auf PMDS hinweisen. Das liegt zum einen daran, dass Betroffene die extremen Stimmungswechsel ohne genaues Tracking und Wissen um die Krankheit oft selbst nicht nachvollziehen können. Zum anderen ist PMDS als offizielle Diagnose erst seit 2022 im ICD-11 gelistet: Viele Ärztinnen, Gynäkologinnen, Psychologinnen, Psychiaterinnen, Endokrinolog*innen haben schlicht noch nie davon gehört.

Bislang gibt es bei PMDS keine Standard-Behandlung, da die Ursachen komplex sind und jeder Körper anders reagiert.

Wie kann ich mir selbst helfen?

Aus eigener Betroffenheit ist es mir ein großes Anliegen, dass über dieses Thema aufgeklärt wird, so dass Betroffene ihre Symptome besser einordnen können und sich dadurch besser verstanden fühlen. Es ist wichtig, nicht in eine zusätzliche Spirale der Selbstabwertung zu geraten und sich entsprechende Unterstützung zu suchen.

Zu wissen, was mit mir los ist, hat zwar nicht meine Symptome gelindert, es hat mich jedoch wieder mehr in meine Selbstermächtigung geführt.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die Auswirkungen von PMDS auf den Alltag verringert werden können. Vielleicht sind einige der nachstehend aufgeführten Ideen für dich nützlich und hilfreich.

Den eigenen Zyklus kennen

Mir hat es sehr geholfen, regelmäßig ein Zyklustagebuch zu führen (zum Bsp.: https://pmds-hilfe.de/zyklustagebuch/). Zum einen, um die Regelmäßigkeit meiner Symptome überhaupt erst zu erkennen und zum anderen, zu wissen, wann ich wieder mit den entsprechenden Phasen rechnen konnte – und wann sie wieder vorbei sind. Allein das hat mir geholfen, weniger in Selbstabwertungsschleifen zu rutschen und liebevoller mit mir umzugehen bzw. diese Phasen entsprechend oder ggf. anders zu planen. Zum Beispiel indem ich:

  • stressige Ereignisse und Aufgaben auf einen anderen Zeitpunkt verschoben habe
  • entspannende Aktivitäten eingeplant habe, von denen ich weiß, dass sie mir gut tun
  • einen Unterstützungsplan aufgestellt habe, der festlegt, wie ich in einer bestimmten Situation unterstützt werden möchte

In Kontakt bleiben

In früheren akuten PMDS-Phasen habe ich mich gerne zurückgezogen. Ich war mir selbst zu viel und wollte auch anderen nicht zur Last fallen. Doch der Rückzug war, zumindest in meinem Fall, kontraproduktiv und hat bei mir nur zu noch mehr Selbstabwertung geführt.

Mir hat es geholfen, mich Personen, denen ich vertraue, mitzuteilen – und auch um Verständnis und Unterstützung zu bitten.

Leider ist es manchen Menschen unangenehm, offen über körperliche und psychische Probleme im Zusammenhang mit ihrer Periode zu sprechen. Es mag sich anfangs schwer anfühlen, aber viele Menschen stellen fest, dass es ihnen besser geht, wenn sie über ihre Erfahrungen sprechen. Und meistens ist das auch der erste Schritt, um Hilfe zu bekommen und sich besser zu fühlen.

Wo finde ich Hilfe bei PMDS?

Peer-Unterstützung

Die Unterstützung durch Gleichgesinnte bringt Menschen zusammen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, was manche Menschen als sehr hilfreich empfinden und Betroffenen etwas Zuversicht geben kann (z.B. https://pmds-hilfe.de/pmds-selbsthilfegruppen/).

Selbst zur Expert*in werden

Dadurch, dass ich selbst zur Expertin meiner Symptome geworden bin, war es mir auch möglich, mir zielgerichtet Hilfe zu suchen. Auch wenn es (noch) nicht viele Spezialistinnen dafür gibt – es gibt sie (siehe z.B. https://pmds-hilfe.de/spezialistenverzeichnis/).

Ich habe nach etwa zwei Jahren eine Gynäkologin gefunden, die sich mit dem Thema PMDS auskennt. Mit ihr habe ich eine entsprechende Medikation besprochen und bin seitdem beschwerdefrei.

Da ich den Leidensdruck, dem PMDS-Betroffene ausgesetzt sind, aus eigener Erfahrung sehr gut kenne, ist es mir ein großes Anliegen, dass ein Bewusstsein in der Gesellschaft (bei Partnerinnen, Kolleginnen, Arbeitgeberinnen und natürlich auch Ärztinnen und der Politik) darüber geschaffen wird, dass es sich bei PMDS um eine ernst zu nehmende Krankheit handelt.

Ich wünsche allen Betroffenen, dass sie die für sich richtige Behandlungsform finden.

Weiterführende Informationen:

https://pmds-hilfe.de/
https://iapmd.org/ (englischsprachige Website)

Buchempfehlung:
Dorn/Schwenkhagen/Rohde: 
„PMDS als Herausforderung: Die Prämenstruelle Dysphorische Störung als schwerste Form des PMS“ (erschienen im Kohlhammer Verlag)

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