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Die Angst vor dem Rückfall – eine Achterbahnfahrt der Gefühle!

von Frauke Puttfarken

Inhalt 

Was ist Angst?

Angst ist ein Grundgefühl und hat durchaus positive Effekte: Angst warnt uns z.B. vor Gefahren und hilft uns zu reagieren. Eine gesunde Angstreaktion bewirkt im Idealfall, dass uns unsere Ressourcen maximal zur Verfügung stehen, um bedrohliche Situation erfolgreich zu bewältigen.

Doch Angst kann auch krankhaft werden.

Dann ist sie kein Warnsignal mehr, sondern führt dazu, dass wir uns in unserem Leben einschränken. Bei rund 15% der Bevölkerung wird Angst krankhaft. Angststörungen sind laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) eine der häufigsten psychischen Erkrankungen.

Die Ursachen von Angst sind nicht vollständig geklärt, aber es gibt verschiedene Faktoren, die dazu beitragen können. Dazu gehören genetische Veranlagung, Persönlichkeitseigenschaften, Erziehung, Lebensereignisse, Stress, Traumata, Alkohol- und Drogenkonsum, bestimmte Medikamente oder körperliche Erkrankungen.

Was ist ein Rückfall?

Ein Rückfall ist Teil von jedem Veränderungsprozess. Wir probieren Neues aus, lernen und machen dabei vermutlich Fehler.

Ein Rückfall ist kein Zeichen von Schwäche oder Versagen, er kann sogar etwas Gutes sein, wenn wir ihn als Lernchancen nutzen, die uns ermutigt und uns darin unterstützt unseren Weg zu finden.

Genesung – wie jeder Lernprozess – gestaltet sich oft wellenartig. Wir gehen einen Schritt vor und zwei zurück. Das frustriert und entmutigt, und doch ist es ganz normal und kein Zeichen von Scheitern.

Wichtig ist es bei einem Schritt zurück nicht in Panik zu verfallen und den inneren Kritiker in seine Schranken zu verweisen. Es ist okay, nicht immer alles hinzubekommen und es ist ok zu stolpern!

Im Sommer war bei mir ein Punkt erreicht, an dem mir alles zu viel war! Ich habe nicht rechtzeitig auf mich geachtet und es sind ein paar alte „Bekannte“ in Form von Mustern wieder aufgetaucht, von denen ich dachte, dass ich sie nie wieder sehen würde. Das hat mir Angst gemacht.

Wie Angst auch können Rückfälle unterschiedliche Ursachen haben: zum Beispiel ein erhöhter Stresslevel, Krisen oder Konflikte. Es gibt also eine starke Überschneidung zu den Ursachen von Angst: Angst löst Stress aus und ein erhöhter Stresslevel erhöht – wenn wir ihm nicht mit ausreichend Ressourcen begegnen, die Gefahr eines Rückfalls.

Wieso haben wir Angst vor Rückfällen?

Viele Menschen, die eine seelische Krise oder Erkrankung durchlebt und überwunden haben, haben Angst vor einem Rückfall, davor sich wieder zu überlasten und nicht rechtzeitig die Zeichen eines Rückfalls zu erkennen.

Sie haben Angst, zurückzufallen auf den Zustand der akuten Erkrankung, „die Kurve nicht zu kriegen“ und nicht mehr am Leben teilnehmen zu können. Sie haben Angst nicht ausreichend im Umgang mit Mustern, Stressoren und herausfordernden Situationen gelernt zu haben, um die eigene Gesundheit zu erhalten.

Die Zeit meiner akuten Burnout Erkrankung war hart – anfangs ging nicht mehr viel, ich habe stundenlang geschlafen, hatte einen Infekt nach dem nächsten. Ich war nicht nur körperlich krank und erschöpft, sondern hatte auch viele Sorgen: Wie geht mein Umfeld damit um? Komme ich hier je wieder raus? Zwar schätze ich heute meine Erfahrungen aus der Zeit der Erkrankung und Genesung als Zusatzkompetenz, doch weiß ich auch eins ganz klar: Da wo ich 2018 und davor war, da will ich nie wieder hin!

Was kann ich bei akuter Angst vor einem Rückfall tun?

Du hast akut Angst wieder zurückzufallen in eine seelische Krise?

Gerate nicht in Panik! Es ist okay, Angst zu haben. Es ist auch okay, der Angst Raum zu geben – sprich über deine Angst und Deine Gefühle. Und versorge Dich dabei gut!

Auch der Resilienzfaktor Akzeptanz hilft: Wer die Angst und die begleitenden Gefühle akzeptieren kann, der schafft eine Grundlage für die Lösung. Du kannst Dich auf die Suche nach den Auslösern begeben und überlegen, was Du jetzt tun kannst, um einen gesunden Umgang mit der auslösenden Situation zu schaffen.

Erinnere Dich aktiv an Strategien und Handlungsoptionen, die für Dich gut funktionieren. Du hast bereits viel gelernt und Du weißt viel, über Deine Stressoren und Muster und was Dir Gut tut!

Als mir klar wurde, dass ich Angst habe, habe ich mir im Sommer erstmal eine Pause verschafft – vom Alltag und auch von der Angst – das war wichtig, damit ich wieder durchatmen und mich sortieren konnte. Dabei habe ich dann festgestellt: Ich habe schon so viel gelernt über das, was mir hilft und was ich tun kann, damit ich nicht gestresst bin: Das kann ich jetzt anwenden! Das war sehr erleichternd und ich konnte mein Stressmuster nach einem kurzen Stolpern wieder durchbrechen. Heute – mit etwas Abstand – bin ich dem Angstgefühl dankbar, denn es hat für mich tatsächlich wie ein Warnsignal gewirkt.

Wie kann ich Angst und Rückfall vorbeugen?

Wer an der eigenen Resilienz arbeitet – zum Beispiel an Selbstmitgefühl, Akzeptanz und Rollenklarheit, der trainiert damit seine seelische Widerstandskraft und den Umgang mit herausfordernden Situationen und Stress.

Wir lernen besser auf uns selbst zu achten und uns auch in turbulenten Zeiten Gutes zu tun! Wir lernen Grenzen zu setzen, Auszeiten zu nehmen und auch den Umgang mit dem inneren Kritiker. All das hilft, Ressourcen aufzubauen, und damit mögliche Stressoren zu reduzieren.

Mir hilft es in meinem Alltag immer auch Pausen und Wohlfühlmomente zu haben. Das kann ein leckeres Mittagessen, Bewegung an frischer Luft, Zeit mit Freunden oder eine Reise sein. Und manchmal reicht es auch zu überlegen, wofür ich dankbar bin. Das klappt auch zwischen Tür und Angel und ich kann so meinen Stresslevel niedrig halten. Und wenn ich doch gestresst bin, dann übe ich mich in Selbstmitgefühl: es ist okay auch mal gestresst zu sein, das geht uns allen so. Wichtig ist für mich, nicht wieder dahin zurückzukehren, wo ich gestartet bin. Und ich bin mir sicher: Dafür habe ich schon viel zu viel gelernt und mir ein Umfeld geschaffen, in dem genau das nicht passieren kann.

Welche Rollen spielt das persönliche Umfeld dabei?

Angehörige und unser Umfeld sind genau wie in allen anderen Lebenslagen auch bei der Angst vor Rückfällen wichtig.

Können wir uns offen austauschen über Sorgen und Ängste? Oder behalten wir diese Angst für uns?
Erhalten wir Unterstützung, wenn wir mal nicht mehr weiterwissen? Oder bleiben wir alleine mit der Herausforderung?

Mein Umfeld ist natürlich durch meine Erkrankung und den für sie sichtbaren Teil – zum Beispiel durch die Krankheitstage zu Hause – sensibilisiert. In der Genesungsphase war es oft nicht leicht, darüber zu sprechen was in mir vorgeht, gerade mit nahestehenden Personen. Einen Burnout zu haben war mir unangenehm. Heute mit Abstand kann ich anders kommunizieren. Ich erlebe viele Gespräche und Situationen als ehrlicher und aufrichtiger, gerade weil ich über meine vermeintliche Schwäche spreche und auch deutlich achtsamer mit mir selbst bin.

Leider werden psychische Erkrankungen und seelische Krisen immer noch stigmatisiert. Die Gesellschaft sieht sie als Makel, der ausgeblendet und verschwiegen wird. Die Vorurteile und Stereotypen werden oft auch auf Angehörige ausgeweitet – auch sie erleben Stigmatisierungen.

Darauf gibt es bei Angehörigen unterschiedliche Reaktionen: etwa ein Fünftel leidet zum Beispiel als Folge der Stigmatisierung an verringertem Selbstwertgefühl. (Quelle: Das Stigma psychischer Erkrankungen – Ursachen, Formen und therapeutische Konsequenzen; Rüsch N., Berger A., Finzen A., Angermeyer MC. (2004))

Die Belastung für das persönliche Umfeld endet damit nicht – Angehörige machen sich Sorgen, fühlen sich hilflos, wissen nicht wie es weiter gehen kann und welche Unterstützung sie geben können. Gerade der ehrliche Austausch im engsten Umfeld ist daher wichtig, um der Angst das Gewicht zu nehmen und nicht zusätzlichen Stress aufzubauen.

Für die betroffene Person ist es hilfreich, wenn das Umfeld die Situation kennt und vermittelt „Du bist nicht allein“, „Ich unterstütze Dich“. Dies fördert auch die seelische Widerstandskraft, nicht umsonst ist Netzwerkorientierung eine wichtige Säule der Resilienz!

Die Spuren meiner Erkrankung sind weiterhin Teil von mir – die Erfahrung vor der Diagnose, die Hilflosigkeit und Frustration, das „Heiß laufen“ und kein Ende finde, kann ich heute noch nachfühlen. Auch die Erfahrung aus dem siebenmonatigen Genesungsprozess und dann dem Wiedereinstieg sind präsent und werden es auch bleiben. Nicht nur, weil ich daraus Kraft und Motivation für meine Arbeit bei die erfahrungsexpert*innen schöpfe, sondern auch weil sie lebensverändernd waren, und zwar zum Guten. Ich fühle mich frei, und auch wenn die Angst vor einem Rückfall immer auch ein Teil von mir sein wird. Diese Angst hält mich auch wachsam: Bin ich überlastet? Mute ich mir zu viel zu? Was kann ich tun für mich?

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