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Hilfe annehmen können in der Krise

Eine Erkrankung braucht eine konsequente Behandlung. Das gilt für körperliche wie für seelische Leiden. Betroffene von Depressionen neigen unter Umständen dazu, nicht zuviel sein zu wollen und anderen nicht zur Last zu fallen. Besonders in Zeiten wie diesen kann dies aber dazu führen, dass eher kein*e Ärzt*in oder Psycholog*in aufgesucht wird. Wir möchten Betroffene ermuntern, sich Hilfe zu suchen – auch und gerade jetzt während der Corona-Krise.

Psychische Erkrankungen sind nicht generell verstärkt zu beobachten

Erste Untersuchungsergebnisse aus Japan, Österreich und Deutschland deuten darauf hin, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen wie bspw. Depressionen seit Beginn der Corona-Einschränkungen weltweit nicht wie erwartet auffällig angestiegen ist.

Zwar würden Personen u.U. vermehrt einzelne Symptome einer Depression, wie bspw. Ängste oder Schlafstörungen, zeigen. Jedoch ist die Depression ein ernstes, komplexes Störungsbild und es kann von einzelnen Symptomen nicht der direkte Schluss gezogen werden, dass eine solche vorliegt.

Die Versorgung bereits betroffener Personen verschlechtert sich

Jedoch wurde festgestellt, dass die Versorgungslage von Betroffenen sich in den Wochen seit Beginn der Kontaktbeschränkungen verschlechtert hat. Diese Beobachtung teilen auch wir.
Die meisten unserer Angebote sind Gruppenangebote, die seit Mitte fast alle März entfallen. Nicht für Jede*n ist ein Online-Angebot stimmig – manche mögen die Atmosphäre nicht, andere fühlen sich zu alt, mit der Technik zurechtzukommen (Rückmeldungen von unseren Teilnehmenden). Auch Beratungsstellen und Krankenhäuser, mit welchen wir zusammenarbeiten, haben alle Gruppenveranstaltungen langfristig abgesagt. Vielen Betroffenen fehlen nun diese Angebote.

Personen, die unter einer Depression leiden, haben möglicherweise größere Schwierigkeiten, mit den Veränderungen durch die Corona-Schutzmaßnahmen zurecht zu kommen. Eine vorhandene Symptomatik kann sich verstärken, da bspw. vermehrt Ängste auftreten und Betroffene sich (wieder) stärker zurückziehen. Gemachte Fortschritte in der Therapie-Arbeit könnten in dieser Zeit verloren gehen.

Wer sich ganz neu auf die Suche begibt und bisher noch garnicht im Hilfesystem eingebunden war, hat vielleicht noch ein weiteres Problem: Auch neigen Personen mit einer Depression vielleicht gerade jetzt dazu, die Schuld bei sich zu suchen und anderen nicht zur Last fallen zu wollen. Angehörige – und auch wir selbst – können jetzt besonders auf Gedanken und  Worte achten, die in diese Richtung gehen. Wir – die erfahrungsexperten – kennen diese Gedanken auch: Nur nicht zuviel sein. Anderen geht es viel schlechter. Ich möchte niemandem einen Therapieplatz wegnehmen, der*die ihn „wirklich“ braucht. Hier wird die Schwere der eigenen Situation teils stark herabgesetzt.

Die Akzeptanz der Krise ist der erste Schritt

Zuerst ist es wichtig anzuerkennen: Es geht mir nicht gut, ich brauche Hilfe, ich habe eine Erkrankung. Und eine Erkrankung braucht eine konsequente Behandlung.

Es mag paradox klingen: Akzeptanz – d.h. das Anerkennen, dass etwas ist wie es ist und ändern zu wollen – ist der erste Schritt zur Veränderung. Denn wenn ich beginne, dass anzunehmen, was wirklich da ist, kann ich meinen Blick für neue Ideen und Veränderung öffnen. Das üben wir auch als einen der wichtigsten Faktoren in unseren Kursangeboten, die derzeit online und hoffentlich bald auch wieder in Gruppen vor Ort stattfinden können.

Wir möchten deshalb alle – Betroffene, Angehörige und Begleiter*innen – ermutigen, die Krise und Erkrankung wichtig zu nehmen und sich auch in dieser globalen Krisen-Situation die Hilfe und Unterstützung zu suchen, die Sie brauchen. Hilfe annehmen zu können ist eine große Stärke. Genauso, wie sich selbst und die eigene Situation erst zu nehmen.

Vielleicht ist eines unserer Angebote dabei hilfereich.


Quelle: https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/corona-krise-verursacht-die-pandemie-mehr-depressionen-und-suizide-a-69254282-99ff-4277-8375-fb158a83a796