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Resilienz-ABC: Recovery

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Der Begriff Recovery taucht in den vergangenen Jahren vermehrt auf. Die Meisten kennen den Begriff im Zusammenhang mit PCs und anderen Geräten. Auch beim Thema psychische Erkrankungen ist immer öfter die Rede von Recovery. Doch was ist das, woher kommt es und was genau versteht man darunter?

Definition

Recovery kommt aus dem Englischen und heißt übersetzt „Wiederherstellung“. In der Informationstechnik wird der „Recovery-Prozess“ bei einem PC gestartet, wenn dieser nicht mehr richtig funktioniert und man ihn auf den Auslieferungszustand zurücksetzen möchte. Das Ziel ist es vollkommen neu zu beginnen.


Nun gibt es bei uns Menschen keinen Knopf, mit dem wir uns auf den Auslieferungszustand zurücksetzen können. Was heißt Recovery in diesem Zusammenhang?


Im Bereich der psychischen Erkrankungen oder Gesundheit bedeutet Recovery so viel wie Genesung, Gesundung oder auch Wiedererlangen von Gesundheit.


Recovery ist ein Konzept, dass bei unterschiedlichen psychischen Problemen eingesetzt wird. Im Mittelpunkt dieses Konzeptes steht das Gesundheitspotenzial, das jedem Menschen inne liegt.

Dabei ist Recovery kein Konzept, das professionell erzeugt werden kann. Es ist vielmehr ein Ausprobieren und Wiederentdecken der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten.

Ein Zitat von Patricia Deegan beschreibt sehr gut, was Recovery im Sinne von psychische Gesundheit bedeutet:

Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man «geheilt», oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht werden tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können. Recovery ist eine Art zu leben.

Geschichtliches

In den 1990er Jahren schlossen sich mehrere Menschen mit einer psychischen Erkrankung zusammen, die lange als unheilbar krank oder „austherapiert“ galten und die trotz der Prognose durch Recovery und ein damit verbundes “Umdenken” gesundeten. Eine dieser Personen ist Patricia Deegan. Sie gilt heute als Anwalt für die Rechte von behinderten Menschen. Schon bald schlossen sich ihnen Fachpersonen und Angehörige an. Seither machen sie gemeinsam darauf aufmerksam, dass Genesung auch aus als schwer geltenden psychischen Erkrankungen möglich ist.

Elemente von Recovery

Recovery beinhaltet – ähnlich wie Resilienz – mehrere Elemente, die zu einer Genesung der Psyche beitragen helfen:

Helfende soziale Netzwerke

Ein gemeinsamer Aspekt von Recovery ist die Anwesenheit Anderer, die an das Potenzial der Person glauben, sich zu erholen und die ihnen zur Seite stehen. Zur Unterstützung des Recovery-Prozesses erfordert dies Gegenseitigkeit und Empathie. Es erfordert Beziehungen, die Respekt, Authentizität und emotionale Verfügbarkeit verkörpern. Vorhersehbarkeit und Vermeidung von Scham und Gewalt können dazu beitragen, dass diese Beziehungen sicherer gemacht werden.

Hoffnung

Das Finden und Pflegen von Hoffnung ist ein wesentlicher Schlüssel zur Genesung. Es soll nicht nur Optimismus einschließen, sondern auch einen nachhaltigen Glauben an sich selbst und die Bereitschaft, Unsicherheit und Rückschläge durchzuhalten. Hoffnung kann an einem bestimmten Wendepunkt beginnen oder allmählich als kleines, zerbrechliches Gefühl auftauchen und auch mit Verzweiflung schwanken.

Identität

Sinn stiftende Tätigkeiten zusammen in Abwechslung mit Phasen, in denen Menschen etwas für sich tun, können Identität herstellen. Es geht darum sich auszuprobieren und somit festzustellen wieviel sinnstiftende Tätigkeit gut tut und wann es wieder Zeit ist etwas für sich selbst zu tun. Hier können achtsame Spaziergänge, Yoga, Qi Gong und Anderes dazu beitragen, dass der Patient einen Ausgleich findet.

Entwickeln von gesunden Bewältigungsstrategien

Die Förderung von Selbsthilfe und Selbstmanagement ist ein wichtiger Baustein beim Thema Recovery. Das beinhaltet auch Medikamente oder Psychotherapie, so der Patient diese in Anspruch nehmen möchte. Selbsthilfe bedeutet hier die Suche danach, was passt und was der Patient bereit ist zu nutzen. Selbst entwickelte Strategien gehören hier jedoch ebenso dazu.

Stärkung und Aufbau einer sicheren Basis

Recovery und das Modell der Salutogenese finden hier einen starken Zusammenhang. Es wird geschaut, was gut tut und die Genesung fördert. Dadurch kann der/die Betroffene eine positive Sicht auf das Leben und schließlich auch auf die Erkrankung entwickeln (die Erkrankung hat ihren Sinn gehabt).  Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch Empowerment (Selbstermächtigung, selbst aktiv werden oder in der Metapher auf dem Fahrersitz des Lebens Platz nehmen). Empowerment erfordert die Neuformulierung der Sicht eines Patienten auf sich selbst und die Welt. In der Praxis erfordern Empowerment und der Aufbau einer sicheren Basis gegenseitig unterstützende Beziehungen zwischen Patienten und Dienstleistern, die Ermittlung der vorhandenen Stärken eines Betroffenen und das Bewusstsein für das Trauma und den kulturellen Kontext desjenigen. Da hier Menschen mit einer ähnlichen Erfahrung wie die Patienten sehr hilfreich sein könnnen, ist es sinnvoll Genesungsbegleiter*innen einzusetzen.


Recovery ist stets eine individuelle Reise um das eigene Leben wieder in den Griff zu bekommen. Es geht nicht darum geheilt zu werden oder frei von Symptomen zu sein. Bei einigen psychischen Erkrankungen bleiben Symptome und Einschränkungen das restliche Leben bestehen. Dennoch kann jede/r Beroffene lernen damit zu leben und ein selbstgestaltetes und eigenverantwortliches Leben zu führen.

Recovery und Genesungsbegleitung

Sehr oft taucht der Begriff Recovery im Zusammenhang mit EX-IN Genesungsbegleitung auf. Recovery ist hier eine Säule der Schulung. Als ehemaligen Patienten der psychiatrischen Versorgung sind Genesungsbegleiterinnen ein Vorbild dafür, dass man das eigene Leben wieder in den Griff bekommen und ein sinnvolles Leben in Eigenverantwortung führen kann. Daher werden Recovery-Gruppen oftmals von Genesungsbegleiterinnen angeboten und geleitet.

In einer Recovery-Gruppe geht es darum den Betroffenen Wege aufzuzeigen und die Patienten durch Gespräche und den Austausch untereinander zu ermutigen, die eigenen Resourcen wieder oder neu zu entdecken. Oftmals stellt sich heraus, dass diese Resourcen unter den vorherrschenden Symptomen der Erkrankung verschüttet liegen.

In einigen Gruppen gibt es das Problem, dass zwar über Recovery berichtet wird, jedoch die Genesung nicht angestoßen wird.

Aus dem oben beschriebenen geht jedoch hervor, dass Recovery ein zutiefst selbst gewählter Weg ist, einen Umgang mit der Erkrankung zu finden. Es ist daher sinnvoll, dass in Recovery-Gruppen ein Ort des Austausches, der Begleitung und des Entdeckens angeboten wird. Nur so können die Patienten erkennen, dass es noch Anteile in Ihnen gibt, die ohne die Erkrankung Freude und Sinn machen. Im gegenseitigen Austausch können sie von Anderen erfahren wie das funktionieren kann und sich gegenseitig Hilfe und auch Anleitung sein.

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